Bizim Bakkal besetzt

Freiräume & Häuserkampf / Umwelt & Stadtteil

Berlin / 06.04.2019

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Bizim Bakkal besetzt

Polizei macht Mietenpolitik

Der ehemalige Gemüseladen Bizim Bakkal in der Wrangelstraße steht exemplarisch für die Vertreibung alteingessener  Gewerbetreibener, aber auch für einen über Monate wachsenden Protest und die Selbstorganisierung der Anwohner*innen gegen den Mietenwahnsinn. Mit der Besetzung des seit drei Jahre leerstehenden Ladens parallel zur großen Mietendemo setzte die #besetzen-Kampagne am Samstag ein starkes Zeichen: In dieser Stadt wird Leerstand und Spekulation mit Wohn-, oder Gewerberaum auch ganz praktisch nicht mehr widerspruchslos hingenommen.

Doch auch der rot-rot-grüne Senat setzt Zeichen: Ohne Konsequenzen für die Verantwortlichen läßt er einer Polizeiführung freien Lauf, die ohne Räumungstitel, ohne Antrag des Eigentümers und mit massiver Gewalt den Laden räumt. Wieder einmal gestalten die Einsatzleitung der Polizei und der Innensenator, flankiert von Falschinformationen und Kriminalisierung der Aktivist*innen, ihre eigene Mietenpolitik.

Polizei rechtfertigt illegale Räumung des Bizim Bakkal durch Falschaussagen
Pressemitteilung der Aktivist*innen von #besetzen

Wir, eine Gruppe von Menschen aus dem Zusammenhang #besetzen, haben am 6.April während der Mietenwahnsinns-Demonstration den leerstehenden Laden (ehemals Bizim Bakkal) in der Wrangelstraße 77 besetzt. Im Laufe des Tages kam es zu einer rechtswidrigen Räumung vonseiten der Polizei, sowie massiver Polizeigewalt gegen die Teilnehmer*innen der Kundgebung vor dem Ladengeschäft.

Aufgrund der in den Medien präsenten Falschmeldungen der Berliner Polizei, möchten wir den Vorgang der Ereignisse klarstellen. Am Samstag betraten drei Personen durch ein loses Brett den Laden in der Wrangelstraße und erklärten ihn für besetzt. Kurz nachdem die Besetzung öffentlich gemacht wurde, versammelten sich Menschen vor dem Laden. Einige Menschen blockierten von außen die Hauseingänge und es wurde versucht, eine Versammlung anzumelden. Die Anmeldung wurde von der Polizei hinausgezögert mit der Begründung, der Einsatzleiter sei gerade nicht erreichbar.

Parallel zu diesen Gesprächen verschafften sich mehrere Zivilpolizist*innen über die Wrangelstraße 78 Zugang zum Hinterhof und drangen durch ein Fenster zum Hinterhof in den Laden ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Situation vor dem Laden entspannt. Auch nach Anmeldung der Versammlung blockierte die Polizei die Straßen von beiden Seiten und verhinderte so, dass weitere Menschen sich der Versammlung anschließen konnten.

Die Lage im Ladeninneren war zu diesem Zeitpunkt so entspannt, dass die Zivilpolizist*innen den Besetzer*innen erlaubten, sich frei im vorderen Teil des Ladens zu bewegen. Zu keinem Zeitpunkt versuchten Menschen von außen in den Laden einzudringen. Auch die Aussage aus der Pressemitteilung der Polizei vom 07.04.19, dass „die Zivilkräfte der Polizei Berlin den Zugang mittels Mobiliar [verbarrikadierten]“ ist frei erfunden.

Eine der Besetzerinnen: „Die Zivilpolizisten waren die gesamte Zeit über entspannt und machten keinen verängstigen Eindruck – einer probierte noch mit uns rumzuscherzen. Dadurch dass die Polizist*innen über die Wrangelstraße 78 so schnell Zugang zum Laden bekommen haben, wirkten sie zufrieden mit der Gesamtsituation.“

Aus uns nicht ersichtlichen Gründen eskalierte die Polizei einige Zeit später die Situation vor dem Haus. Es wurden mehr Kräfte zusammengezogen und die Versammlungsteilnehmenden vor dem Laden wurden brutal geschubst, darunter Journalist*innen und Abgeordnete wie Canan Bayram und Katrin Schmidberger. Dabei schaffte die Polizei selbst eine unnötige Eskalation innerhalb der Menschenmenge, während der mehrere Menschen in Panik versetzt und verletzt wurden. Der Laden wurde geräumt, nachdem uniformierte Polizist*innen die Tür nach mehrmaligen Versuchen von Außen gewaltsam aufbrachen. Eine Person, die in der Wrangelstraße Pfand sammelte, wurde brutal festgenommen, verprügelt und musste ins Krankenhaus.

All dies geschah ohne Räumungstitel. Das Handeln der Polizei war ein klarer Rechtsbruch. Hausfriedensbruch bleibt ein Antragsdelikt, das nur vom Eigentümer angezeigt werden kann, zu dem laut Baustadtrat Florian Schmidt bis zur Räumung kein Kontakt bestand.

Pressesprecherin Jona Sommer: „Es kann nicht sein, dass die Polizei in Berlin eigenmächtig entscheidet, ob ein Haus geräumt wird oder nicht. Die  Falschaussagen der Polizei, mit der sie im Nachgang die brutale Räumung legitimieren wollen zeigt, dass sie sich im rechtsfreien Raum bewegen. Der Berliner Senat hat das zu verantworten, als allererstes Innensenator Geisel.“ (Pressemitteilung von #besetzen vom 8.4.2019)

Auch das Bündnis, das die große #Mietenwahnsinn-Demonstration  am 6.4.2019 organisiert hat, verurteilt in einer aktuellen Pressemitteilung die gewaltsame Räumung der Besetzung:
„Direkt verantwortlich für die Polizeigewalt sind Innensenator Geisel und der rotrotgrüne Senat von Berlin. Wir fordern von ihnen die Abschaffung der Berliner Linie und ein Ende der Räumungen.“
BIZIM KIEZ fordert in einer Stellungnahme eine unabhängige Untersuchung und Konsequenzen.